Tristano Unchained
“Beim Bandnamen “Tristano Unchained” denken Cineasten im ersten Moment vielleicht an “Django Unchained” von Quentin Tarantino, Jazzkenner*innen denken aber natürlich an Lennie Tristano. Der blinde Pianist und Komponist hat Ende der 1940er Jahre dem Bebop eine neue Wendung verliehen, als er seine Erfahrungswerte aus der klassischen Musik, aus der Polytonalität der Moderne und dem Kontrapunkt des Spätbarocks mit den swingenden Blue Notes des afro-amerikanischen Jazz verwob. So erschuf Tristano Musik von enormem Formbewusstsein und zugleich von einer luftigen, harmonisch offenen Qualität. Daran waren damals viele interessiert, die später als “Cool Jazzer” bezeichnet wurden, wie zum Beispiel die Saxophonisten Lee Konitz und Warne Marsh. Und immer noch fasziniert im Hier und Jetzt ist davon auch der Saxophonist Julian Bossert. Deswegen hat er seine Band “Tristano Unchained” genannt.
Außerdem hat Julian Bossert ein großes Faible für die Kunst der Kontrafaktur – auf Englisch “contrafact”. Auch Lennie Tristano beherrschte sie, sie war im Jazz besonders in den 1940er und 50er Jahren relativ weit verbreitet. Dabei wird über die Akkordfolge eines schon vorhandenen Stücks eine neue Melodie gespielt. Das klingt lapidar, ist es aber nicht, denn die Veränderung kann so tiefgreifend sein, dass man tatsächlich von einer neuen, eigenen Komposition sprechen darf. Stücke wie “Ornithology” von Charlie Parker über die Akkorde des Musicalhits “How high the moon” beweisen das. Auf dem 2021 erschienenen Album “Wild Horses” seiner Band “Tristano Unchained” hat auch Julian Bossert einige Stücke inspiriert von den Harmonien historischer Jazzstücke komponiert. Es war das dritte Album, das der 1988 in Pforzheim geborene Musiker als Bandleader herausgebracht hat. Nachdem er sein Studium an der Musikhochschule in Nürnberg mit einem Master in Jazzarrangement und Komposition abgeschlossen hat, zog es ihn vor etwa acht Jahren nach Köln. Dort sind er und seine Mitmusiker zuhause. Inzwischen haben sie ein neues Album aufgenommen. Es heißt “On democracy”, weil alle in gleichem Maße an der Musikentstehung beteiligt sind. Auf der Basis von Formen und Harmonien von Jazzstandards wird die Musik im Freiraum des Moments ausgestaltet.“ Beate Sampson
Julian Bossert (alto saxophone)
Stefan Karl Schmid (tenor saxophone)
Thomas Rückert (piano)
Calvin Lennig (double bass)
Fabian Arends (drums)